This post is also available in: English
Wasserstoff ist im Zuge der Energiewende in aller Munde. Kann dieser Energieträger den Traum vom sauberen, umweltfreundlichen, gut verfügbaren Kraftstoff verwirklichen? Zwei Experten der NORMA Group geben Auskunft über die Chancen für Wasserstoff als Antrieb für Brennstoffzellen.
„Wasserstoff ist lebensnotwendig: Die Sonne leuchtet, weil sie pro Sekunde Hunderte Millionen Tonnen Wasserstoff in Helium umwandelt. Und Wasser entsteht, indem zwei Wasserstoff-Atome an ein Sauerstoffatom gebunden werden“, sagt Jean-François-Surlève, Global Product Manager für Kraftstoffsysteme bei der NORMA Group. „Beides, das Licht und das Wasser, sind die Grundlagen, die unseren Planeten überhaupt bewohnbar machen.“
Im Innern der Sonne verschmelzen Wasserstoff-Atome durch Kernfusion miteinander. Ein Teil der Masse wird in Wärme- und Lichtenergie umgewandelt.
Die Brennstoffzelle im Fahrzeug
„Wasserstoff-Fahrzeuge sind eine Unterart der elektrischen Fahrzeuge“, erklärt Dr. Daniel Koch, Senior Strategy and Innovation Manager der NORMA Group. Im Gegensatz zum batterieelektrischen Fahrzeug (BEV), wird das Brennstoffzellen Fahrzeug (FCEV) mit Wasserstoff betankt. Eine Brennstoffzelle mischt den gebundenen Wasserstoff mit Sauerstoff und wandelt die dabei entstehende Energie in Strom um. Wer sich an die Knallgasprobe im Chemieunterricht erinnert, weiß: Wasserstoff ist in Verbindung mit Sauerstoff explosiv. Im Jahr 1937 verbrannte der Zeppelin „Hindenburg“ bei der Landung in Lakehurst, weil sich der Wasserstoff in dem Luftschiff entzündete. In der Brennstoffzelle kommen Wasserstoff und Sauerstoff aber nie unmittelbar miteinander in Berührung: Sie werden durch ein Material getrennt, das als Elektrolyt wirkt. Durch diesen Aufbau wird die Energie nicht explosionsartig, sondern kontrolliert in Form elektrischen Stroms frei. Bei der Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff entsteht lediglich Wasser, keinerlei klimaschädliche Abgase.
Was ist Wasserstoff?
Wasserstoff ist das leichteste aller Element, seine Masse ist sehr viel geringer als die von Luft. Im Periodensystem hat er das Symbol H. Wasserstoff ist im gasförmigen Zustand durchsichtig und farblos, er riecht nicht, verflüchtigt sich schnell und verbrennt rückstandsfrei. Wasserstoff wird nun immer populärer und man schreibt ihm zu, dass er viele unserer Probleme lösen könne, von Luftverschmutzung in den Städten über den Klimawandel bis hin zur Versorgungsicherheit mit Energieträgern.
Eigentlich ist es irreführend, dass Wasserstoff oft zum Bereich „Neue Energien“ gezählt wird, schließlich wird er seit dem 19. Jahrhundert kommerziell hergestellt und verwendet. Die Grundlage hierfür ist die Wasserelektrolyse: Hierbei wird Wasser (H2O) mithilfe von elektrischer Energie in die beiden Elemente Wasserstoff und Sauerstoff geteilt. Der Wasserstoff dient dann als Energieträger und kann bei Bedarf wieder in Elektrizität umgewandelt werden. Wasserstoff verspricht, der perfekte Energieträger zu sein: unbegrenzt herstellbar und sauber.
Grau, blau, grün
Ist der Betrieb von Brennstoffzellenfahrzeugen nachhaltig? “Das kommt unter anderem darauf an, woher der Wasserstoff kommt, denn die Herstellung kann sehr energieaufwändig sein“, erklärt Dr. Daniel Koch. Man unterscheidet je nach Herstellung zwischen verschiedenen Arten:
„Grauer Wasserstoff“ wird aus Erdgas erzeugt und damit aus einem fossilen Brennstoff. Dabei entsteht klimaschädliches Kohlendioxid (CO2), das direkt in die Atmosphäre abgegeben wird.
„Blauer Wasserstoff“ wird ebenfalls aus Erdgas erzeugt. Das hierbei entstehende CO2 wird aber nicht in die Atmosphäre abgegeben, sondern abgeschieden und unterirdisch gelagert.
„Grüner Wasserstoff“ wird durch Elektrolyse hergestellt – und zwar mittels Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind, Wasserkraft und Photovoltaik. Damit ist die Herstellung CO2-frei.
Bislang ist bei Weitem nicht genügend „grüner Wasserstoff“ verfügbar, weshalb viele Regierungen und Energiekonzerne die Gewinnung von „blauem Wasserstoff“ mindestens als Übergangstechnologie forcieren. „Um die erforderlichen Klimaziele zu erreichen, müssen wir uns auf den Ausbau von klimaneutral hergestelltem ‚grünen‘ Wasserstoff konzentrieren“, sagt Dr. Daniel Koch. Wasserstoff wird in vielen Industrien verwendet. Der Mobilitätssektor macht nur einen kleinen Teil aus, größere Einsatzbereiche sind Düngemittel, die Kunststoff- und die Stahlproduktion. „In diesen Prozessen geht es nicht ohne Wasserstoff, in Fahrzeugen gibt es hingegen verschiedene Alternativen, um die Antriebsenergie zu liefern. Daher bleibt fraglich, ob der derzeit knappe Wasserstoff hier in größerem Umfang eingesetzt werden wird.“
Dem farblosen Wasserstoff werden verschiedene Farben zugeschrieben, um seine Herstellung zu beschreiben. Stammt die zur Elektrolyse benötigte Energie aus erneuerbaren Quellen, wird „grüner Wasserstoff“ erzeugt.
Kein Alleskönner
Im Vergleich zum vollelektrischen Batterieantrieb haben Brennstoffzellen einen niedrigeren Wirkungsgrad: Sowohl bei der Herstellung des Wasserstoffs als auch bei der Umwandlung in Strom in der Brennstoffzelle wird Energie verbraucht, was zu einer vergleichsweise niedrigeren Effizienz führt. „Die Energieeffizienz von Wasserstoff-Fahrzeugen fällt eher mager aus“, stimmt Dr. Daniel Koch zu. Klare Vorteile sieht er hinsichtlich der Energiespeicherfähigkeit von Wasserstoff. „Er kann zum Beispiel bei Offshore-Windparks klimaneutral hergestellt und dann per Schiff über weite Strecken transportiert werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Stromleitungen ist der Transport sehr effizient: Etwa zehnmal so viel Energie kann zu einem Achtel des Preises transportiert werde. Allerdings muss gasförmiger Wasserstoff bei hohem Druck von 300 bis 600 bar oder in Flüssigform bei extremer Kälte von etwa minus 250 Grad gespeichert werden. Hierfür sind spezielle Tanks erforderlich, sowohl im Fahrzeug selbst als auch an der Tankstelle.
Weitere Probleme aus heutiger Sicht sind die hohen Kosten bei der Herstellung von Brennstoffzellen – was sich mit zunehmender Technologiereife und Kommerzialisierung ändern könnte – sowie die Probleme der fehlenden Tankinfrastruktur. Einige Beobachter meinen, dass zu viel gegen Wasserstoff spreche und die Frage nach dem Antrieb der Zukunft für die Masse der Fahrzeuge längst für die Batterietechnologie entschieden sei.
Welche Chancen hat das Wasserstoff-Auto?
„Relevant ist Wasserstoff in den Bereichen, in denen Elektrifizierung des Antriebs in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist, das heißt im Lastverkehr, in Schiffen und eventuell in Flugzeugen“, sagt Dr. Daniel Koch. „Ob es auch massentaugliche Pkw mit Brennstoffzellen geben wird, ist heute noch unklar“, ergänzt Jean-François-Surlève. „Bei Lkw bin ich mir sicher, dass ein emissionsfreier Betrieb gut mit der Brennstoffzelle erreicht werden kann. Der Grund ist einfach: Batterien für Lkw müssten extrem stark und damit schwer sein, damit ist eine angemessene Reichweite kaum zu erreichen. Außerdem kann im Logistikverkehr nicht stundenlang zum Laden pausiert werden Das sieht bei Pkw anders aus, schließlich sind hier die Nutzungszeiten viel kürzer und die Standzeiten als potenzielle Ladezeiten deutlich länger.“
Für den emissionsfreien Lastverkehr auf der Straße könnte Wasserstoff eine praktikable Alternative zu batterieelektrischen Antrieben bieten.
Als Energiespeicher ist Wasserstoff in vielen Strategien verankert, darunter in der Wasserstoffstrategie der EU oder im aktuellen Fünfjahresplan Chinas (2021–2025). Solche politischen Entscheidungen führen dazu, dass viel Aufmerksamkeit, Kapital und andere Ressourcen in den Bereich fließen. Gemäß einer aktuellen Studie eines Marktbeobachters sollen im Jahr 2035 rund ein Prozent der in China verkauften Pkw mit Brennstoffzellen ausgestattet sein. Das entspricht bis zu 340.000 Autos. Eine andere Studie schätzt, dass 2035 sogar fünf Prozent aller in China verkauften Fahrzeuge Brennstoffzellenautos sein werden. (Quelle: BCG [2022]; PwC [2021]) „Insgesamt ist es keine technische Frage, ob sich das Wasserstoff-Auto durchsetzt, sondern eine Frage der Märkte und der Infrastruktur“, meint Dr. Daniel Koch. Auch der Preis der Fahrzeuge werde eine entscheidende Rolle spielen, ob sich die Brennstoffzelle in der Breite durchsetzen kann. Jean-François-Surlève geht davon aus, dass sich die Zukunft innerhalb der nächsten fünf Jahre entscheiden werde: „Der entstehende Markt strukturiert sich derzeit und wird sich anschließend rund um standardisierte Anwendungen weiterentwickeln.“ Die Sonne leuchtet mit Wasserstoff – inwiefern der Sektor der individuellen Mobilität mit Wasserstoff klimaneutral werden kann, steht allerdings zurzeit noch in den Sternen.