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Die klassische Ökonomie geht davon aus, dass wir uns stets rational und damit vernunftgetrieben verhalten. Anbieter maximieren ihren Gewinn, Nachfrager maximieren ihren Nutzen.
Seit einigen Jahren jedoch gibt es begründete Zweifel an dieser Annahme. Und mittlerweile ist es wissenschaftlich erwiesen, dass das menschliche Gehirn eben nicht vollkommen rational funktioniert, sondern oft völlig irrational und unvernünftig.
Preispsychologie führt häufig zu überraschenden Resultaten, die den ökonomischen Grundgesetzen zu widersprechen scheinen.
Wir streben daher nicht immer nach Maximierung von Gewinn oder Nutzen, sondern begnügen uns auch mit zufriedenstellenden Lösungen. Die Forschung, die zu dieser neuen Erkenntnis geführt hat, wurde 2002 sogar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Was hat das aber mit Preisen zu tun? Der Preis spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Preispsychologische Effekte führen häufig zu überraschenden Resultaten, die den ökonomischen Grundgesetzen zu widersprechen scheinen. Gleichzeitig können sie erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Beim sogenannten „Ankereffekt“ sucht der Verbraucher nach Anhaltspunkten (also Ankern) für die Qualität oder den „richtigen“ Preis eines Produkts, falls er beides nicht beurteilen kann. Dabei können die unterschiedlichsten Informationen als Preisanker dienen.
So kann ein Händler ein Produkt besonders teuer anbieten. Mit dem Ziel, nicht etwa dieses Produkt zu verkaufen, sondern ein anderes, daneben stehendes Produkt billiger erscheinen zu lassen. Der Kniff funktioniert.
Die Magie der mittleren Preislage
In New York haben die Taxen bei Kreditkartenzahlung eine simple Zusatzfunktion an den Kartenlesegeräten. Drei Tasten mit drei verschiedenen Voreinstellungen fürs Trinkgeld: 20, 25 oder 30 Prozent. Obwohl man als Fahrgast überhaupt nicht verpflichtet ist, diese Beträge zu zahlen und auch selbst einen niedrigeren Wert eintippen kann, erhöhten sich die Trinkgelder für die Taxifahrer von im Schnitt zehn auf 22 Prozent. Das entspricht einem Gewinn von 144 Millionen Euro. Pro Jahr.
Ein anderes typisches Verhaltensmuster bei Konsumenten ist der „Hang zur Mitte“. Stehen im Regal zwei Weinflaschen, eine für vier Euro, die andere für sieben, dann greifen 80 Prozent zur billigen Sorte. Wenn der Händler eine weitere Flasche für zehn Euro dazustellt, dann kaufen auf einmal 60 Prozent den Wein für sieben Euro.
Denselben Effekt kann man tagtäglich in Restaurants beobachten. Die Gäste lassen sich die Weinkarte zeigen und fast immer wird ein Wein aus der mittleren Preislage gewählt. Nur selten wird der teuerste oder der billigste Wein gekauft. Die Mitte hat eine schon fast magische Anziehungskraft.
Diese Magie wirkt umso stärker, je geringer die Kenntnisse über Qualität und Preis des jeweiligen Produkts sind. So gesehen ist dieses Kaufverhalten sogar einigermaßen rational. Durch die Wahl des mittelpreisigen Produkts reduziert der Verbraucher sowohl das Risiko, eine schlechte Qualität zu kaufen, als auch das Risiko, zu viel zu bezahlen.
Weglassen oder hinzubestellen?
Es kommt zudem auf das richtige Auswahlmodell an. Dieses Phänomen wurde in Experimenten mit Pizza ausprobiert. Ein erstes Angebot beinhaltet Pizzateig für fünf Euro, jede Zutat kostet 50 Cent extra, der Gesamtpreis beträgt maximal elf Euro. Ein zweites Angebot beinhaltet Pizza inklusive aller Zutaten für elf Euro, das Weglassen von Zutaten spart je 50 Cent. Beim zweiten Angebot blieben im Schnitt mehr als drei Zutaten mehr auf der Pizza als beim ersten Angebot hinzubestellt wurden.
Diese Beispiele zeigen, wie wichtig psychologische Effekte für die Gestaltung von Preis und Angebot sein können. Bereits durch kleine strukturelle Änderungen können erhebliche Wirkungen auf Umsatz und Gewinn erzielt werden, ohne dass die Kosten steigen.