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Die Mobilität der Zukunft – vieldiskutiert und noch mit einigen Fragezeichen versehen. Noch ist nicht entschieden, wie wir uns in 20, 30, 50 Jahren hauptsächlich fortbewegen werden. Eins ist aber heute schon klar: Die Anforderungen wachsen. Leichter, sicherer und umweltfreundlicher sollen die Fahrzeuge werden. Komfortabler und smarter sowieso. Was heißt das für die Verbindungstechnik? Die Leitungssysteme in den Fahrzeugen werden immer komplexer, das bedeutet längere Leitungen, mehr Windungen und mehr Verbindungsstellen. Das gilt besonders für Kühlsysteme, die sich in allen Fahrzeugen finden – in Hybriden, reinen Elektrofahrzeugen und in Autos mit klassischem Verbrennungsmotor.
„Kühlsysteme in Elektroautos sind leicht über 20 Meter lang – eine Heraus- forderung für die Verbindungstechnik.“
Lange Leitung – wenig Druck?
Die Temperaturregulierung ist in Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb noch wichtiger. Denn die optimale Betriebstemperatur sorgt dafür, dass die Batterie länger durchhält und das Fahrzeug mehr Kilometer Reichweite hat, bevor es an die Steckdose muss. Und das Laden der Batterie geht schneller, wenn ihre Temperatur weder zu kalt noch zu warm ist. Leitungssysteme für das Thermomanagement in E-Autos und Hybriden können leicht über 20 Meter messen. Aufgrund der vielen Windungen und verengter Bereiche gibt es ein Problem: Der Druck im Kühlkreislauf würde dramatisch abfallen, die Temperierung wäre mangelhaft.
Die Lösung: von der Natur lernen
Traditionellerweise würde man den Druckverlust durch größere Pumpen oder dickere Leitungen ausgleichen. Das funktioniert, erhöht aber in jedem Fall das Gewicht – und sorgt damit für eine geringere Reichweite und einen höheren Energieverbrauch des Fahrzeugs.
„In der Natur finden wir Funktionsweisen, die wir uns für unsere Produkte zu eigen machen können.“
Wir nutzen stattdessen Erkenntnisse der Bionik und orientieren uns an Vorbildern aus der Natur. Bionik ist ein Zweig der Wissenschaft, bei der Forscher Funktionsprinzipien und Strukturen aus der Pflanzen- und Tierwelt analysieren. Einige dieser Vorbilder aus Biologie und Geografie können wir bei der Produktentwicklung einsetzen. Der Begriff der Bionik ist seit den 1960er Jahren etabliert, die Menschen haben sich aber schon viel früher ein Vorbild an der Natur genommen.
Die Bildergalerie zeigt ein paar berühmte Beispiele für Bionik:
Bionische Leitungen
Flussbiegungen sind nie kreisrunde, symmetrische Bögen. Das ist ein Grund dafür, dass das Wasser im Flussbett trotz der mäandernden Form relativ gleichmäßig fließt. Wir haben uns das genauer angeschaut, weil bei unseren Leitungssystemen in jeder Windung Druck verloren geht. Das können wir nicht verhindern, aber reduzieren. Zum Beispiel mithilfe von Mechanismen der natürlichen Evolution: Mutation, Selektion und Rekombination. Wir simulieren am Computer alle möglichen Windungsformen für unsere Leitungen, das heißt wir verformen eine kreisrunde Bogenform zu einer mehr oder weniger stark verzerrten Bogenform. Das ist die Mutation. Dann berechnen wir den Druckverlust für diese Formen und wählen diejenigen aus, bei denen der Verlust am niedrigsten ist. Diese Formen kombinieren wir, schließlich beeinflusst jede Windung die Durchflussgeschwindigkeit und die optimale Form der nächsten Windung. Damit erreichen wir, dass Kühlflüssigkeit mit einem Minimum an Druckverlust durch das Leitungssystem fließt.
Haie gleiten müheloser durchs Wasser als andere Meeresbewohner. Wegen ihrer besonders glatten Haut? Keineswegs. Die Haifischhaut hat eine besondere Rillenstruktur auf beweglichen Schuppen entlang des gesamten Körpers. Diese Rillenstruktur verringert den Strömungswiderstand deutlich. Bei hohen Geschwindigkeiten muss der Hai also weniger Kraft aufwenden. Diesen Haifischhaut-Effekt wollen wir künftig bei unseren Thermomanagement-Systemen anwenden, zum Beispiel indem wir das Innere einiger Teile mit Längsrinnen versehen. Dadurch kann eine Flüssigkeit leichter und schneller durchfließen.
„Bis zu 50 Prozent weniger Druckverlust dank Inspiration durch Flüsse“
Diese beiden Konzepte aus der Natur können wir vergleichsweise leicht umsetzen und so den Druckverlust massiv verringern – um bis zu 50 Prozent. Die Kühlflüssigkeit fließt gleichmäßig und mit kontinuierlich optimalem Druck durch das System. Somit werden die Batterie und eventuell weitere Elemente des Fahrzeugs wie Motor, Leistungselektronik, Ladetechnologie und Fahrerkabine bestmöglich temperiert.
Simulation stellt die Grundlage
Unverzichtbar hierbei ist die numerische Simulation, mit der komplizierte Gleichungen berechnet werden können. Damit können wir genau vorhersagen, wie sich ein Teil oder ein komplettes Leitungssystem unter verschiedenen Bedingungen verhält. Das bietet unseren Kunden Sicherheit, schließlich soll ein Kühlsystem im finnischen Winter ebenso gut funktionieren wie im südindischen Sommer. Außerdem können wir neue Produkte schneller auf den Markt bringen, weil Simulationen an mancher Stelle Experimente gut ergänzen oder sie sogar ersetzen können.
Natürlich können wir die Natur nicht einfach kopieren, schließlich haben wir andere Sicherheitsanforderungen als ein Hai im Meer. Aber durch ihre Vorbilder liefert uns die Natur Inspirationen für eigenständige technologische Entwicklungen. Wir prüfen stetig, welche Konzepte aus der Welt der Pflanzen und Tiere wir noch für unsere Produkte adaptieren können.